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"Kapitän, kann ich als Deutscher 

noch Kapitän werden?"


So oder ähnlich wurde ich an Bord der Schiffe, auf denen ich als Kapitän eingesetzt war, häufig von Auszubildenden auf Brücke oder im täglichen Miteinander befragt. 

Solche Fragen begannen in den 90er Jahren und waren ständige Begleiter, bis hin zu meinem Ausscheiden an Bord 2022.


Ich erinnere mich an meine Zeit bei der Hamburg-Süd, als die SBO Lehrgänge begannen und damit das Doppelpatent die Super Seeleute hervorbringen sollten, auch ich fragte unseren "Alten": haben wir noch eine Chance?

Auch nahmen die Ausflaggungen dramatisch zu, Billiglohnarbeitskräfte kamen aus Polen und Asien.

Gründe genug, um damals wie heute, Fragen zu stellen.


Wir, auch ich, wollten eine verlässliche Antwort haben, für die Zukunft planen können.


Vertrauen gehört dazu.


Ich will von meiner Seite gerne eine ehrliche Antwort finden und geben.

Erst aber möchte ich ein paar Fakten benennen dürfen.

Und es fängt an mit dem so wichtigen:


Schiffsbesatzungszeugnis

der Bundesrepublik Deutschland


Muster dieses Zeugnisses

Bundesministerium für Digitales und Verkehr


Bitte lesen Sie genau, woher ein Kapitän (1) auf den Schiffen mit deutscher Flagge stammen kann oder muss!


Es handelt sich jetzt nur um Schiffe, unter Bundesdeutscher Flagge!


Dieses Zeugnis ist die logische Folge aufgrund der:


Schiffsbesetzungsverordnung

letzte Anpassung: 23.06.2021 vom 

Bundesministerium der Justiz


Diese Verordnung wird von der Bundesregierung verfügt!


§ 1 Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen


(1) Diese Verordnung gilt für die Besetzung der Kauffahrteischiffe, die die Bundesflagge führen (Schiffe).


§ 2 Verpflichtungen des Reeders


(1) Der Reeder hat das Schiff nach Anzahl, Befähigung und Eignung der Besatzungsmitglieder so zu besetzen, dass

1. die Schiffssicherheit,

2. der sichere Wachdienst,


3. die Einhaltung der Vorschriften des Arbeitsschutzes einschließlich des Arbeitszeitschutzes, des Gesundheitsschutzes, der medizinischen Betreuung an Bord und des maritimen Umweltschutzes,


4. die Erhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit an Bord und


5. die sprachliche Verständigung der Besatzungsmitglieder untereinander gewährleistet sind.


Bei der Besetzung des Schiffes sind ferner die betrieblichen Voraussetzungen, insbesondere der Schiffstyp, der Automationsstand, die Ausrüstung, der Einsatzzweck, die Hafenfolge, das Fahrtgebiet und die Art der zu befördernden Ladung zu berücksichtigen.


(2) Der Reeder hat unbeschadet seiner Verpflichtung nach Absatz 1 und der Verpflichtungen des Kapitäns nach § 3 dafür zu sorgen, dass


1. das Schiff entsprechend dem auf Grund des § 8 Absatz 1 ausgestellten Schiffsbesatzungszeugnis besetzt ist,


2. die Anordnungen der Berufsgenossenschaft nach § 9 Absatz 2 Satz 1 befolgt werden und


3. das Schiffsbesatzungszeugnis an Bord mitgeführt wird.


Da muss der Kapitän an Bord genauestens drauf acht geben!

Und jetzt kommt es genau wie in der kleinen Anmerkung im Schiffsbesatzungszeugnis:


§ 4 Kapitän

Unabhängig von der Bruttoraumzahl des Schiffes muss der Kapitän Unionsbürger sein.


Basta, der Kapitän ist EU Bürger. Ist ein Deutscher etwa ein EU Bürger? Ich glaube schon.

Kann er Kapitän werden wenn er das passende Patent hat und den deutschen Tarif bezahlt bekommen will?


Eigentlich schon, also ja. Da es aber genügend EU Bürger Kapitäne gibt, die für weniger Einkommen zur See fahren als der deutsche Kollege, hat er kaum eine Chance mehr auf diesen Posten. Wettbewerb ist das.

Und dann gibt es einen Reeder in Hamburg, der seine deutschen Offiziere bis zum 1. Offizier befördert, dann aber nicht weiter als Kapitän fahren lässt, den Posten bekommt ein EU-Kandidat. 


Darum wollte ich die Politik dahingehend handeln sehen, dass dies umformuliert wird und heißen sollte:


Der Kapitän kann ein Deutscher- oder EU Bürger sein!

 

Damit habe ich bisher leider keinen Politiker, egal welcher Partei, überzeugen können. Ich weiß, ein Deutscher kann Kapitän werden, ja. Aber aus wirtschaftlichen Gründen wird es immer unwahrscheinlicher als solcher einen Job zu bekommen.


Aber eines wird schon jetzt deutlich:

die Voraussetzung als Kapitän auf einem deutschen Schiff das Kommando zu bekommen, verringert sich somit drastisch.

Besonders auch dann, wenn der deutsche Kandidat nicht wesentlich besser den Dienst macht als sein Billigkollege.

Und die Patente sind ja alle gleichgemacht worden hin zum STCW.


Den Vorgang konnte ich miterleben und habe es eingehend in meinem Buch (links) belegen können.


Deutschland hat die größte Containerflotte der Welt finanziell auf die Beine gestellt. Diese Flotte wird durch deutsche Unternehmen gemanagt.


Aber diese Flotte fährt zum größten Teil unter fremden Flaggen!


Der VDR (Verband Deutscher Reeder) spricht von 1800 Einheiten innerhalb der deutschen Flotte. Also rechnet der Verband die ausgeflaggten Schiffe mit in die "Deutsche Flotte" hinein, als einen Bestandteil unserer Seewirtschaft.


Das ist ein Unterschied zu den Daten, die uns das BSH (Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie) zur Verfügung stellt: 

Februar 2024 sind nur 259 Schiffe unter deutscher Flagge unterwegs. Von ca. 1.800 Einheiten. Bitte dazu die neuesten Tabellen genau studieren.

Nicht jedes Schiff ist ein Handelsschiff, Verwaltungs- und Behördenfahrzeuge zählen da auch mit!

Und die ausgeflaggten Schiffe sind nur "befristet" dort abgelegt!

Was immer das heißen soll, vielleicht zeitlich begrenzt, oder 5 Jahre? Oder doch bis zur Verschrottung? 

Was wäre denn los wenn diese Schiffe zurück zur deutschen Flagge kämen?

So viel deutsches Personal hätten wir gar nicht mehr zur Verfügung! 

Darum all die vorbereiteten Maßnahmen in den Besatzungsstatuten mit dem Ziel: nicht nur Deutsche?


Der Fall Ukraine - Krieg zeigt es sehr deutlich. Die nicht mehr zur Verfügung stehenden Ukrainer und Russen werden zugig ersetzt durch:


50.000 Zertifikatshalter aus Asien, von den Philippinen. 

Zwar war es nicht leicht, deren Qualitäten anerkennen zu lassen, aber für die europäische Flotte gelang es dann doch.

So berichtete Dr. Kröger (VDR) stolz im letzten Jahr.

Damit war die Transportkette Schiff zumindest von der Stückzahl her besetzt. Nix Deutsche. Gibt es ja auch gar nicht mehr, so viele ausgebildete Fachkräfte.


Und jetzt kommt eine kleine Überraschung, auch für mich:


China ist die Nummer 2 im Flottenumfang!

Deutschland liegt in diesem Falle im Ranking vor China!


Noch Fragen?


Man könnte so sagen:


fremde Flagge - fremde Kapitäne

deutsche Flagge - wenige deutsche Kollegen



Zu diesem Thema verweise ich bei Bedarf gern auf folgende Beiträge in meinem Archiv, die man hier nun direkt anklicken kann:


 Nachwuchs, die unvollendeten Versprechen

 

&


Nachwuchs dringend gesucht!


&


„Kann ich noch Kapitän werden?“


&


Rückschau 13. NMK 2023 Bremen einmal anders...



Ich mache das, damit jeder junge Mensch, der sich mit dem Thema befassen möchte, möglichst alle Informationen bekommt, bevor er sich festlegen möchte. Die Zeiten da draußen haben sich gewaltig verändert. Das kann man sich ruhig von einem Praktiker, der sein Berufsleben lang dabei war, ruhig einmal aufzeigen lassen.


Für mich ganz entscheidend sind die Zahlen der Schiffe, wo der HTV-See (Heuertarifvertrag) angeboten wird, Ausbildung erfolgt, eine Weiterbeschäftigung nach dem Erhalt des nautischen- und/oder technischen Zertifikates angeboten wird.

Langfristige Perspektiven bis zum Horizont und darüber hinaus möglich sind.


Die Verweildauer in diesem Beruf sagt vieles aus. Zur Zeit spricht man in der Branche von nur noch 4 Jahren im Durchschnitt, einige Karrieren dauern gar nur ca. 2 Jahre an, bis zum Ausfahren das Wach-Offiziers-Patents. 


Was in der Tat sehr kurz wäre, der Aufwand sich nicht auszahlen kann.





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